Sprachwissenschaftliche Masterarbeiten und Dissertationen unterscheiden sich mehr im Hinblick auf Ausmaß, Vertiefung der Fragestellung, Niveau der Diskussion als bezüglich ihrer prinzipiellen Ausrichtung. Beide Typen von Arbeiten sind in der Regel empirisch ausgerichtet. Es wird darin eine Fragestellung entwickelt, es werden Daten gesammelt und diese aufgrund eigener Überlegungen und mit Hilfe der einschlägigen Literatur analysiert und interpretiert.
Die Daten können aus ganz unterschiedlichen Quellen stammen, aus schon bestehenden Korpora, aus einem selbsterstellten Korpus, aus Sprecherbefragungen (wofür sich das Tool LimeSurvey bewährt hat), aus Tests und Experimenten, im Extremfall sogar aus der Introspektion, d. h. aus der Beobachtung des eigenen Sprachverhaltens. Die Daten der Sprachwissenschaft haben allerdings einen anderen Charakter als diejenigen naturwissenschaftlicher Fächer. Es handelt sich um Daten, die nicht der 'Natur' entstammen, sondern vom Menschen selbst durch sein Verhalten geschaffen wurden. Die Sprachwissenschaft ist daher eine Geistes- oder Humanwissenschaft.
Die Ausarbeitung und Formulierung der Fragestellung ist eine entscheidende und heikle Phase der ganzen Arbeit. Ihre Schwierigkeit liegt auch darin, dass sie viel Recherche und Einsatz verlangt, ohne dass vorerst greifbare Ergebnisse im Sinne von verfassten Textseiten oder empirischen Daten vorliegen. Erfahrungsgemäß erfordert sie bis zu einem Drittel der gesamten für die Abschlussarbeit notwendigen Zeit. Ein Großteil der Fragestellungen ist in irgendeiner Weise mit Unterscheidungen, Klassifikationen und damit verbundenen Kriterien verbunden. Typischerweise wird eine bestimmte Unterscheidung übernommen und anhand neuer Daten bestätigt, verbessert, revidiert oder verworfen.
Am Ende der Ausarbeitung der Fragestellung sollten in der Tat eine oder mehrere konkret formulierte Fragen stehen. Wichtig ist hier vor allem, dass es sich um beantwortbare Fragen handelt, d. h. es sollte sich um Fragen handeln, die im Rahmen der Abschlussarbeit und der zur Verfügung stehenden Mittel Aussicht auf eine befriedigende Antwort haben. Zusätzlich sollten die Fragen von aktuellem sprachwissenschaftlichem Interesse sein. Die Fragen können offen formuliert sein. Das Thema kann soweit eingeengt sein, dass es sich anhand von wenigen ja-nein-Fragen erfassen lässt. Die Fragen können von Hypothesen begleitet sein. Hypothesen sind im Grunde nichts anderes als mögliche Antworten, die sich auf existierende, noch unzureichende Daten stützen.
Der Aufbau der Arbeit sollte in etwa der folgende sein: Einleitung, Grundlagen (Erläuterung der Fragestellung, Überblick über die Forschung), Vorstellung der Methode und des Datenmaterials, Datenerfassung und -analyse, Ergebnisse und Diskussion, Schluss und Ausblick. In dem Abschnitt, der den Grundlagen gewidmet ist, sollten ausschließlich jene Konzepte und Theorien eingeführt werden, die für die Analyse und Interpretation der Daten notwendig sind. Deshalb ist ein Aufbau, in dem ein Theorieteil einem praktischen Teil gegenüber steht, ungünstig, da er die Erörterung von Konzepten und Theorien fördert, die nichts mit dem eigentlichen Thema der Arbeit zu tun haben. Im Schlusskapitel muss unbedingt auf die eingangs gestellten Fragen eingegangen werden.
Ein Unterschied zwischen den beiden Typen von Arbeiten betrifft die schlussendliche Bestimmung: Eine Masterarbeit wird nur in Ausnahmefällen von einem Verlag publiziert (steht aber im Bibliothekssystem online zur Verfügung), eine Dissertation ist von vornherein als verlagsmäßige Publikation konzipiert.